Sonderausstellungen im Kunstmuseum Ahrenshoop

Stefan Wischnewski | In Öl | 2007
Stefan Wischnewski | In Öl | 2007

Blickwechsel Ahrenshoop: Gestern und heute.

30. März - 18. Mai 2014

Positionen der Sammlung im Dialog mit zeitgenössischer Kunst

Link zur website des Festivals zuflucht2014.de

BLICKWECHSEL AHRENSHOOP. GESTERN UND HEUTE war ein gemeinsames Projekt von Kunstmuseum Ahrenshoop, Kunstkaten Ahrenshoop, Stadtgalerie Kiel und Künstlerhaus Lukas Ahrenshoop aus Anlass des 20-jährigen Jubiläums des internationalen Künstlerhauses Lukas. Es war ein Beitrag innerhalb des Festivals ZUFLUCHT – VON DER SEHNSUCHT DES PARADIESES und brachte die enge Verbindung von historischer und heutiger künstlerischer Entwicklung nicht nur in Ahrenshoop zum Ausdruck.
In beiden Ausstellungshäusern wurden insgesamt dreizehn Positionen zeitgenössischer Malerei, Grafik, Fotografie, Skulptur, Installation und filmischer Arbeit mit Jugendlichen in der Nachbarschaft von Werken aus der Museumssammlung gezeigt, die die Ahrenshooper Kunstgeschichte und ihre überregionalen Verzweigungen seit der Zeit der Künstlerkolonie repräsentieren. Ziel der Ausstellung war es, historisch gewordene Landschaftsanblicke, Landschaftskonstruktionen und Menschenbilder dialogisch mit Ergebnissen des schöpferischen Handelns heutiger Künstlerinnen und Künstler in Beziehung zu setzen.

Die teilnehmenden Zeitgenossen aus mehreren Generationen - Anett Frontzek und Katinka Theis im Kunstkaten, Nándor Angstenberger, Jürgen Brodwolf, Sven Johne, Ulrike Mundt, Helga Paris, Katrin Pieczonka, Joachim Richau, Cornelia Schleime, Björn Siebert und Stefan Wischnewski im Kunstmuseum - waren in den letzten 20 Jahren bzw. noch 2014 Stipendiaten oder Ehrengäste im Künstlerhaus Lukas. Der Ausstellung im Kunstmuseum assoziiert war das 2013 von Sophie Narr und Ralph Etter während ihres Aufenthaltes im Künstlerhaus Lukas mit Schülerinnen und Schülern der Regionalschule Zingst erarbeitete Filmprojekt "Weites Land - Mitten im Paradies."
Thematisch ging es in der Ausstellung nicht allein um das reale Ahrenshoop, sondern um den Ort am Meer im Sinne einer vielschichtigen Gegebenheit, um etwas wie ein ideelles Gesamtformat, das diesen Ort ausmacht und an dem Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen teilhaben. Der Geist des Ortes, das Flair der Landschaft und die von Künstlern immer wieder als „paradiesisch“ wahrgenommenen Qualitäten eines Arbeitsaufenthaltes an traditionsreicher Stelle in der Natur standen ebenso im Fokus wie die weiter greifenden, vom Genius loci unabhängigen Wegeprofile jüngerer und jüngster Kunstgeschichte, mit denen Ahrenshoop bis heute in Berührung kommt. Reale Landschaftsdarstellungen trafen auf imaginäre Bildwelten, Konzeptuelles auf konkrete Visualisierungen, sodass ein spannendes, so überraschendes wie anspruchsvolles Feld ästhetischer Auseinandersetzung bestellt war.

Zur Ausstellung erschien ein Katalog (40 Seiten, zahlr. Ill.)

Karl Hofer | Paar am Strand | 1953 | FAMAKunststiftung
Karl Hofer | Paar am Strand | 1953
Jürgen Brodwolf | Zeitschichten | 1994/2013 | Foto: Bernhard Strauss
Jürgen Brodwolf | Zeitschichten | 1994/2013
Hugo Richter-Lefensdorf | Wintersonne über verfallenem Gehöft | um 1895
Hugo Richter-Lefensdorf | Wintersonne über verfallenem Gehöft | um 1895
Joachim Richau | Stenbrott | 2010
Joachim Richau | Stenbrott | 2010
Alfred Partikel | Waldinneres | um 1936
Alfred Partikel | Waldinneres | um 1936
Nándor Angstenberger | Phaenomena | 2011 | Foto: Dirk Dunkelberg | Courtesy Galerie Susanne Burmester | © VG Bild-Kunst, Bonn, 2014
Nándor Angstenberger | Phaenomena | 2011
Anna Gerresheim | Jakob sieht im Traum die Himmelsleiter | um 1895
Anna Gerresheim | Jakob sieht im Traum die Himmelsleiter | um 1895
Cornelia Schleime,Im Bauch der Nacht | 2004 | Foto: Bernd Borchardt
Cornelia Schleime,Im Bauch der Nacht | 2004

Während der Ausstellung wurden außerdem gezeigt:

Bernhard Garbert, Rotes Meer, 2008 und Birgit Maria Wolf, Weißdüne, 2011. Beide Arbeiten entstanden während der Planungsphase des Kunstmuseums Ahrenshoop für die "Infobox" auf dem Museumsgrundstück und sind ein zeitgenössischer Bestandteil der Museumssammlung.

Bernhard Garberts Wortskulptur „Rotes Meer“ entstand 2008 für Ahrenshoop und antwortet auf die Idee des Kunstmuseums als einer Grenzen überschreitenden Institution. Sie gehört zur Folge der „Rotkreuzgedichte“, die der Künstler seit mehr als 25 Jahren an öffentliche Orte verschiedener Länder und Kontinente verbringt und sie dadurch mit poetischer Energie auflädt.

Der Bildhauer Garbert bezieht seine Arbeit auf mehrere ineinander greifende Sphären des Erlebens von Sprache als Figuration: die visuelle, die semantische und die akustische. Alle diese Räume aktiviert sie parallel auf je andere Weise durch Vermittlung von Formen, Bedeutungen und Klängen, die frei assoziierend gesehen, gelesen und deklamiert werden können. Die streng rechtwinklige Ordnung der immer gleich langen Worte in der Fläche erweckt den Eindruck vollkommener Stabilität. Als Substrat dieser Ordnung weist die Kreuzform im Verein mit der Dreizahl der Zeichen in jedem der Worte und Wortfragmente auf den Zustand der Ewigkeit, denn Kreuz und Dreizahl stehen in der christlichen wie in anderen kulturellen Überlieferungen für ein universales Dasein, dem die sinnliche Kraft und Symbolik der Farbe Rot als Folie in Garberts Arbeit ein gleichwohl irdisches Gesicht verleiht.

In seiner Wortskulptur verbinden sich Begriffe aus den Sprachen der Ostseevölker zu Kreuzfiguren, die einander begegnen wie Schiffe auf einem Ozean der Emotionen. Es sind Negativformen, die die Stofflichkeit des räumlichen Umfelds in sich aufnehmen. Wechselnde Abmessungen lassen sie näher oder ferner erscheinen, lauter oder leiser im Klang. So wird Aufmerksamkeit verschieden dosiert und die Lust oder auch Mühe des Erschließens.

Bernhard Garbert ist Professor für Plastik an der Fachhochschule Hannover. Er lebt und arbeitet in Berlin.

Der mehr als sieben Meter lange, mit Sand auf Leinwand gemalte Fries der Berliner Künstlerin Birgit Maria Wolf zeigt Pflanzen, die auf der Weißdüne gedeihen und hier den Widrigkeiten dieses Naturraums in Zeitspannen trotzen, mit denen die Spanne der menschlichen Geschichte sich nicht messen kann. Manche dieser Pflanzen sind selten geworden, wenn nicht gar vom Aussterben bedroht. Ihre unscheinbare Überlebenskraft faszinierte die Künstlerin und regte sie zu dem "Weißdünen-Fries" an. Der Fries ist ein Gleichnis für die Ambivalenz des Lebens in seiner Fragilität und seinem Beharrungsvermögen, das sich ganz wesentlich über die Schönheit der filigranen Darstellung vermittelt. Betont wird dies zusätzlich durch die Verwendung des flüchtigen Elementes Sand. Birgit Maria Wolf hat die Flora der Weißdüne 2009 während eines Stipendienaufenthaltes im Edvard-Munch-Haus in Warnemünde erkundet und erhielt dabei Anregungen von der Botanikerin Hannelore von Büren-Rieder. Ihr "Weißdünenprojekt" erhielt 2010 im Kreativwettbewerb "Kunst und Wissenschaft" der Berliner Wirtschaftsgespräche e. V. den Publikumspreis.

Folgende, die Weißdüne besiedelnde Pflanzenarten hat die Künstlerin aufgenommen: 1. Gänsedistel Souchus asper 2. Strandquecke Elymus 3. Meersenf Cakile maritima 4. Graugrüner Gänsefuß Chenopokium glaucum 5. Gänsedistel Sonchus arvensis 6. Grasnelke Armeria 7. Salzbeifuß Artemisia maritima 8. Salzniere Hauckeuya peploides 9. Strandaster Tripolium pannonicum o. Aster tripolium 10. Stranddistel Eryngium maritimum 11. Salzmelde Artriplex hastata o. Artriplex portu lacoides? 12. Strandhafer Ammophila 13. Strandplatterbse Lathyrus japonicus 14. Strandquecke Elymus athericus 15. Binsenquecke (Strandweizen) Elymus farctus 16. Strandroggen Leymus arenarius 17. Strandzaunwinde Calystegia soldanella 18. Tatarenlattich Lactuca tatarica 19. Strandkamille Tripleurospermum maritimus 20. Kali Salzkraut Kali soda 21. Stranddistel Eryngium maritimum 22. Tausendgüldenkraut Centaurium.

Bernhard Garbert | Rotes Meer | 2008 (In der Infobox, 2008)
Bernhard Garbert | Rotes Meer | 2008 (In der Infobox, 2008)
Birgit Maria Wolf | Weißdüne | 2011 (In der Infobox, 2011)
Birgit Maria Wolf | Weißdüne | 2011 (In der Infobox, 2011)
Birgit Maria Wolf | Weißdüne | 2011 (Ausschnitt)
Birgit Maria Wolf | Weißdüne | 2011 (Ausschnitt)