Zur Kunstgeschichte von Ahrenshoop

Elisabeth von Eicken, nach 1880
Elisabeth von Eicken, nach 1880

Der durch die einzigartigen Landschaftscharaktere von Fischland und Darß geprägte Künstlerort Ahrenshoop hat eine mehr als 120-jährige Geschichte. Sie geht in die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts zurück und ist unerhört facettenreich. Hunderte namhafter Künstlerinnen und Künstler fast aller wichtigen Strömungen moderner deutscher Kunst haben das Dorf, seine nähere und fernere Umgebung seither besucht und mit Arbeiten darauf reagiert. Als Künstlerkolonie war Ahrenshoop eine späte Gründung. Sie besaß jene offene Struktur, wie sie durch das simultane Arbeiten voneinander unabhängiger und gleichwertiger Persönlichkeiten in den alten und traditionsreichen Künstlerkolonien wie Willingshausen in Hessen oder Dachau bei München vorgebildet war. Das Arbeitscredo war von der Weimarer und Berliner Spielart der Freilichtmalerei geprägt, doch kamen durch die horizonterweiternden Ausbildungsumwege der Frauen andere, besonders französische Einflüsse und eine große Offenheit für junge Tendenzen hinzu. Malerinnen und Maler wie Anna Gerresheim, Paul Müller-Kaempff, Friedrich Wachenhusen, Elisabeth von Eicken, Hugo Richter-Lefensdorf, Friedrich Grebe u. a. nahmen Einfluss auf das sich verändernde Ortsbild. Neben ihnen spielten seit der Frühzeit der Künstlerkolonie Malgäste wie Carl Malchin oder Hermann Eschke eine bedeutende Rolle.

Die klassische Moderne hat besonders von Berlin aus an die Ostsee und nach Ahrenshoop ausgestrahlt, doch zog es auch Künstler aus anderen Landesgegenden hierher, darunter so berühmte wie Alexej Jawlensky, Erich Heckel oder Lyonel Feininger. Ungleich stärker aber waren seit der Weimarer Republik Künstler einer „anderen Moderne“ wie Hans Brass, Alfred Partikel und der Bildhauer Gerhard Marcks in Ahrenshoop verwurzelt. In den Jahren der NS-Diktatur reisten Künstler wie Werner Gilles und Ernst Wilhelm Nay auf der Suche nach Ausgleich für erlittene Repression und abgeschnittene Freiräume auf Fischland und Darß. Neue Malgäste kamen nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Künstlerort schon bald in die engen kulturpolitischen Vorstellungen der DDR-Regierung eingebunden wurde. Am staatlichen Erholungsbetrieb vorbei fanden unangepasste Künstler, die wie Edmund Kesting im „Dritten Reich“ verfemt gewesen waren und nun abermals in Schwierigkeiten gerieten, in Ahrenshoop Aufnahme und gelegentlich sogar ein Refugium. Die jungen Maler der Hallenser Nachkriegsszene zog es ebenso hierher wie die Berliner um Manfred Böttcher und Harald Metzkes. Auch die „Leipziger Schule“ und die stilleren Vertreter der Dresdner „peinture“ waren zugegen. Sie alle nahmen das Flair des Ortes auf, bereicherten es mit ihrer Anwesenheit und trugen es in die Gegenwart weiter.

Paul Müller-Kaempff mit seinen Malschülerinnen, 1906
Paul Müller-Kaempff mit seinen Malschülerinnen, 1906
Line Ristow, Peter E. Erichson & Dörte Helm, um 1926Historisches Foto von 1926
Line Ristow, Peter E. Erichson & Dörte Helm, um 1926Historisches Foto von 1926
Max Pechstein und George Grosz, Ahrenshoop 1930
Max Pechstein und George Grosz, Ahrenshoop 1930
Bruno Gimpel, Ahrenshoop 1928
Bruno Gimpel, Ahrenshoop 1928
Gerhard Marcks und Werner Gilles, Niehagen 1935
Gerhard Marcks und Werner Gilles, Niehagen 1935