Sonderausstellungen im Kunstmuseum Ahrenshoop

Gertrud Kleinhempel, Studie drei Figuren am Strand/Entwürfe für Badekleidung, 1920/30, © Kunstgewerbemuseum / SKD, Foto: Deutsche Fotothek
Entwürfe für Badekleidung

Gertrud Kleinhempel (1875-1948) – Wegbereiterin des modernen Gestaltens

9. April bis 19. Juni 2022

Aus aktuellem Anlass thematisiert das Kunstmuseum Ahrenshoop das Werk der Wegbereiterin des modernen Gestaltens Gertrud Kleinhempel, die ab 1938 in Ahrenshoop-Althagen ihren Alterssitz wählte und hier auch verstarb. Das Projekt wurde gemeinsam mit dem Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden kurzfristig realisiert, um an dem Ort, wo Gertrud Kleinhempel die letzten zehn Jahre ihres Lebens verbrachte, eine Vorstellung von dem außergewöhnlichen Format dieser Künstlerin zu vermitteln. In der Nacht vom 28. zum 29. Januar 2022 ist das Kleinhempel-Haus im Töpferweg abgebrannt und damit ihre Spur in der einstigen Künstlerkolonie ausgelöscht worden.

Gertrud Kleinhempel war eine so bedeutende wie vielseitige Gestalterin und Lehrende des frühen 20. Jahrhunderts. Ihre Entwurfstätigkeit erstreckte sich von Möbeln und Interieurs über Schmuck und Mode bis zur angewandten Grafik. Sie gehörte zu den Wegbereiterinnen eines modernen Designs innerhalb jener Reformbewegung vor dem Ersten Weltkrieg, die zum Bauhaus führte. Als eine der ersten, innovativen Entwerferinnen für die Dresdener, später die Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst, schuf sie die zeichnerischen Vorlagen für Möbel und ganze Interieurs.

Auch im gebrauchsgrafischen Bereich profilierte sie sich vorwärtsweisend. Ihre Entwürfe waren neuartig durch die gelungene Verbindung von durchdachter Funktionalität und dekorativer Wirkung. Sie zeichnen sich durch eine knappe, aber feine Formensprache, Leichtigkeit und Eleganz der Linie sowie einen materialgerechten Denkansatz aus. Kleinhempel wirkte damit haltungsprägend auf eine neu heranwachsende Generation von Designerinnen und Designern auf dem Weg in die Moderne und trug zur Erneuerung der Wohnkultur in einem aufgeschlossenen bürgerlichen Milieu bei. Ihre langjährige Wirkungspraxis erst als Lehrerin an einer eigenen privaten Kunstschule in Dresden, dann als Lehrkraft, später Professorin an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Bielefeld verstärkte diesen Einfluss.

Vor dem Hintergrund des kulturellen Zusammenbruchs im Nationalsozialismus und der anschließenden, selektiv vor allem auf das Bauhaus konzentrierten Neubewertung der Designbewegung des 20. Jahrhunderts geriet das Werk Gertrud Kleinhempels weitgehend in Vergessenheit. Doch der Blick auf die Geschichte ist korrigierbar. Paradigmenwechsel, wie wir sie gegenwärtig verstärkt vollziehen, führen zu neuen Sichten u. a. auf das weibliche Kunstschaffen. Das Werk einer so souveränen künstlerischen Pionierin wie Gertrud Kleinhempel wiederzuentdecken, war längst überfällig – auch in Ahrenshoop, wo sie bis heute unsichtbar blieb.

 

Die Sammlung des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden verfügt über einen Fundus von annähernd 2.100 grafischen Blättern Kleinhempels. Erst 2020 wurde dort das umfassende Konvolut angekauft.

Seit 2018 sind die Digitalisate der Zeichnungen frei über die Deutsche Fotothek zugänglich. Die wissenschaftliche Erschließung ist angedacht. Unsere kleine Ahrenshooper Präsentation gibt einen ersten Einblick in die Vielfalt und die Qualität ihres Schaffens. In der Werkauswahl sind die wichtigen biografischen Stationen in Dresden, München und Bielefeld gegenwärtig. Der Kreis schließt sich mit Ahrenshoop, wo Kleinhempel ihren Lebensabend in Abgeschiedenheit, aber immer noch schöpferisch tätig verbrachte. Die dörfliche Umgebung wurde von ihrer Lebensgefährtin Ellen Andresen in einigen Zeichnungen festgehalten, die zum Nachlass der Künstlerin gehören.

Selbstbildnis, vor 1900,
© Kunstgewerbemuseum / SKD, Foto: Deutsche Fotothek
Selbstbildnis
Blumenstudie, um 1930, © Kunstgewerbemuseum / SKD, Foto: Deutsche Fotothek
Blumenstudie
Mädchenkopf, um 1900, © Kunstgewerbemuseum / SKD, Foto: Deutsche Fotothek
Mädchenkopf
Entwurf für einen Salontisch, um 1915, © Kunstgewerbemuseum / SKD, Foto: Deutsche Fotothek
Entwurf für einen Salontisch
Entwurf für ein Damenschlafzimmer, um 1910, © Kunstgewerbemuseum / SKD, Foto: Deutsche Fotothek
Entwurf für ein Damenschlafzimmer
Entwurf für ein Salonsofa für die Villa des Textilfabrikantenvon Gustav Windel in Bielefeld, 19154, © Kunstgewerbemuseum / SKD, Foto: Deutsche Fotothek
Entwurf für ein Salonsofa